426 5nach6_02.05.25_Tag der Arbeit
Letzten Freitag war „Tag der Arbeit“. Als Kirche könnten wir uns zurücklehnen und sagen: „Mit Karfreitag und Ostern hatten wir unsere Feiertage. Jetzt sind die anderen dran, Arbeitnehmerinnen und Gewerkschaften. Damit haben wir als Kirche nichts zu tun.“
Nun, in der Geschichte war diese Haltung mindestens ansatzweise vorhanden und das Verhältnis zwischen Gewerkschaften und der klassischen Arbeiterpartei SPD war über Jahre distanziert oder gar gespannt.
Das ist heute anders, besser. Ob es schon gut ist?
Jedenfalls gibt es beim früheren Amt für Gemeindedienst unserer Landeskirche den „Kirchlichen Dienst in der Arbeitswelt“. Er beschreibt seine Aufgabe so:
Als Team Arbeit und Wirtschaft der Service Agentur verbinden wir christliche Ethik mit den aktuellen und praktischen Anforderungen der Wirtschaft. Wir bauen Brücken zwischen Kirche und Arbeitswelt, für Gemeinwohl und Gerechtigkeit, mit natürlicher oder künstlicher Intelligenz, in der Werkstatt auf dem Hof oder im Büro.
Wir suchen den Dialog mit Arbeitnehmer:innen ebenso wie mit Menschen in Leitungspositionen. In Zusammenarbeit mit unseren Gesprächspartner:innen entwickeln wir Projekte, Vorträge, Gottesdienste, Tagungen, Beiträge für Publikationen und vieles mehr.
Immerhin.
Allerdings ist die Erkenntnis nicht neu, dass Christentum und Kirche durchaus etwas mit der Welt des Arbeitens und Wirtschaftens zu tun haben. Sie war zeitweise verschüttet.
Die Bibel befasst sich durchaus mit dem Thema:
Die Schöpfungstätigkeit Gottes kleidet der Verfasser des 1 Mose in das Bild eines Handwerkers, eines Töpfers, der den Menschen aus Lehm „töpfert“ (1Mose 2,7). Die Erzählung von Kain und Abel spiegelt u.a. den Konflikt zwischen nomadischen Jägern und sesshaften Bauern. Ps 23 ist ein Loblied auf Gott, der im Bild eines guten Hirten gesehen wird.
Der Verfasser der Sprüchesammlung „Prediger Salomo“ hatte keine hohe Meinung von der Arbeit: „Ich sah die Arbeit, die Gott den Menschen gegeben hat, damit sie sich damit plagen“, schreibt er und hält dagegen: „Man mühe sich ab, wie man will, so hat man doch keinen Gewinn davon.“
Auch andere Autoren biblischer Bücher sehen die Mühen um den Erhalt des Lebens eher kritisch. Gleich im 1. Buch Mose wird erzählt, wie die bis dahin offenbar leichte Arbeit nach dem Sündenfall zum Fluch wird. „Im Schweiße des Angesichts“ gilt in erster Linie für die Landwirtschaft, in der der überwiegende Teil der Bevölkerung tätig war …
Im Laufe der Geschichte kommt ein weiterer Bereich hinzu: Israel wird Königtum. Das bedeutet, dass auch Fronarbeit verrichtet werden muss: große Bauprojekte, Militärdienst, Mithilfe im königlichen Haushalt. Noch vor der Wahl des ersten Königs warnt der Prophet Samuel: „Eure Söhne wird er nehmen für seine Wagen und Gespanne … Eure Töchter aber wird er nehmen, dass sie Salben bereiten, koch und backen.“ (1Sam 8, 11-13)
Um Ausbeutung und soziale Notlagen zu verhindern, findet sich bereits im AT eine Art Arbeitsschutzgesetz. „Weh dem, der seinen Nächsten umsonst arbeiten lässt und gibt ihm seinen Lohn nicht“, droht der Prophet Jeremias. Feste und die Ruhezeit des Schab-bat gelten ausdrücklich auch für Arbeiter/innen, Sklaven/innen sowie Fremdlinge:
„Am siebenten Tag ist der Sabbat des Herrn, deines Gottes, da sollst du keine Arbeit tun, auch nicht dein Sohn, deine Tochter, dein, Knecht, deine Magd, dein Vieh, auch nicht dein Fremdling, der in deiner Stadt lebt“ (2Mose 20,10).
Weitere Aspekte der Arbeit fügt das NT hinzu. Hier gelten die Nachfolger/innen Jesu als „Arbeiter im Weinberg“, die ihren jeweils eigenen Teil zum Reich Gottes beitragen (Mt 20). (A.v.Legat, Arbeit in der Bibel, in: Ev. Zeitung, 30.03.25, S.5)
Mehr noch: Jesus entstammt einer Handwerkerfamilie. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass er von seinem Vater – zumindest in Anfängen - das Zimmermannshandwerk gelernt hat. Auch Jesu Gleichnisse stammen oft aus der bäuerlichen Lebenswelt und sein Jüngerkreis war auch keine Theologenversammlung: Petrus und andere waren z.B. Fischer.
In der Erzählung von Maria und Martha macht Jesus deutlich, dass Arbeit nicht alles sein kann. In ähnlicher Weise lässt sich das Gleichnis vom reichen Kornbauern verstehen: Ständiges Schaffen und Raffen garantieren weder Lebensglück noch Seligkeit.
Das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg lässt sich neben anderen theologischen Erwägungen auch mit Bezug auf die Arbeitswelt betrachten: Trotz ungleicher Arbeitszeit erhalten auch die, die nur kurze Zeit gearbeitet haben, den vollen Tageslohn. Warum? Weil sie ihn brauchen! In diesem Gleichnis steckt deshalb auch eine Begründung für den Mindestlohn!
Arbeit in Vollzeit, Teilzeit, Gleitzeit, Bereitschaftsdienst, Schichtdienst, Homeoffice, Telearbeit, Vertrauensarbeitszeit – heute gibt es zahlreiche Modelle, nach denen man arbeiten kann …
Noch im Mittelalter waren Arbeitszeit und freie Zeit auf Grund der äußeren Umstände noch kaum voneinander zu trennen.
Mit der Industrialisierung fand eine Trennung von Wohn- und Arbeitsplatz statt. Die Maschinen sollten immer laufen. Das führte zu einer weitestgehenden Abwesenheit von Freizeit.
Es gründeten sich Arbeitervereine und Gewerkschaften für eine Regelung und gleichzeitige Senkung der Arbeitszeit. Der Achtstunden-Tag wurde in Deutschland zum ersten Mal 1918 gesetzlich festgelegt … Der DGB machte sich ab den 50er Jahren stark für eine 40-Stundenwoche. … Das Arbeitszeitgesetz von 1994 setzt die tägliche Regel-Arbeitszeit auf acht Stunden fest. (Entwicklung der Arbeit, mr, ebd., S.4)
Geld verdienen geht nicht ohne Arbeit. Und Geld sichert nun mal den Lebensunterhalt. Aber es geht bei der Arbeit auch um Gemeinschaft. Für manche Menschen ist die Arbeit wie eine zweite Familie. Oft verbringen wir mehr Zeit mit Kollegen/innen als mit der Familie. Ein wichtiger Punkt ist außerdem die Sinnhaftigkeit – bei der Arbeit eigene Stärken einsetzen (und entwickeln) und etwas bewegen können. (W.Böhmer, Ich danke Gott dafür, dass ich mit so viel Freude meine Arbeit machen kann, ebd. S.4f)
Diese letzte Aussage bleibt doch ziemlich im Persönlichen – den eigenen Stärken - bzw. im Allgemeinen hängen – etwas bewegen.
Ich denke, dass auch die Arbeit unter dem Vorzeichen von Gottes Auftrag an den Menschen steht, wie wir ihn in der Schöpfungserzählung lesen:
15Gott der Herr nahm den Menschen und brachte ihn in den Garten Eden. Er sollte ihn bearbeiten und bewahren 1Mose 2,15).
Etwas differenzierter und vielleicht zeitgemäßer hat es der Ökumenische Rat der Kirchen 1983 formuliert:
Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung gehören untrennbar zusammen, da Gott alle Menschen gleich geschaffen hat. Umweltzerstörung entzieht Menschen den Zugang zu lebenswichtigen Ressourcen und provoziert Konflikte und Kriege. Damit begann eine weltweite Bewegung zur „Umkehr in die Zukunft“ mit dem Ziel, Umweltzerstörung, Ungerechtigkeit und Unfrieden zu analysieren und zu überwinden. (Konziliarer Prozess für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung - www2.ekir.de)
„Die Erde ist des HERRN“, heißt es in Psalm 24,1. Sie gehört Gott, ihre Ressourcen stehen allen Menschen frei und dürfen nicht einseitigen wirtschaftlichen Interessen untergeordnet werden.
https://www.ekd.de/Schopfung-Basiswissen-Glauben-11261.htm
Ja, das ist ein hoher Anspruch, der da an Sinn und Zweck von Arbeit gestellt wird! Und natürlich gilt dieser Anspruch auch für die Beziehungen der Menschen innerhalb des Lebensbereiches Arbeit und Wirtschaft.
Speziell für die Beziehungen zwischen den Menschen in Arbeit und Wirtschaft kann man auch die Goldene Regel als Maßstab setzen: „Alles, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun, das tut auch ihnen!“ (Mt 7,12)
Alles in Allem macht es Sinn, den „Tag der Arbeit“ auch seitens der Kirchen unterstützend zu begleiten.
Gebet:
(Mehr als nur Leistung - Gebete - ELKB, https://gebet.bayern-evangelisch.de/am-arbeitsplatz.php)
Gütiger Gott, Du hast uns dazu gerufen,
in deinem Sinn an der Gestaltung der Welt mitzuarbeiten.
Aber oft finden wir nicht das richtige Maß.
Darum bitten wir dich:
Für dir Menschen, für die Arbeit zur Sucht geworden ist,
dass sie den Wert von Erholung und freier Zeit wieder erkennen.
Für diejenigen, die die Freude an ihrem Beruf verloren haben,
dass sie wieder ein Ziel sehen, für das es sich zu arbeiten lohnt.
Für junge Menschen, die ratlos vor ihrer Berufswahl stehen,
dass sie die richtigen Entscheidungen treffen.
Für alle, die arbeitslos sind und verzweifelt nach einer Stelle suchen,
dass sie den Mut nicht verlieren.
Für uns alle, wenn die Arbeit uns zu erdrücken droht:
Lass uns immer wieder erkennen, dass wir nicht nur um der Arbeit willen existieren.
Zeige uns immer wieder Freiräume für Visionen und Phantasie.
Damit wir Dich unseren Schöpfer loben. Amen