429 5nach6_30.05.25_Himmelfahrt
Gestern war Himmelfahrt. Ein religiöses Spektakel erster Ordnung. Unser Altarbild zeigt es. Doch - wenn wir nicht aufpassen, ist das Wort bald verschwunden. Es gibt mittlerweile Kalender, in denen es durch „Vatertag“ oder „Herrentag“ ersetzt ist.
Der einzige Zusammenhang, in dem der Begriff nach meiner Kenntnis bisweilen noch auftaucht, ist der Begriff „Himmelfahrtskommando“.
Wikipedia erklärt: Der Begriff entstammt der militärischen Umgangssprache und bezeichnet einen besonders gefährlichen Auftrag , dessen Ausführung mit hoher Wahrscheinlichkeit … zum Tod, zur „Fahrt in den Himmel“, also ins Jenseits, … führt. Z.B. wurden Soldaten, die in sog. Strafbataillone versetzt worden waren, oder auch KZ-Häftlinge zu aussichtslos erscheinenden Angriffen, zum Minenräumen, zum Entschärfen von Bomben oder zum Trümmerräumen eingesetzt.
Keine schöne Möglichkeit, den Begriff „Himmelfahrt“ zu bewahren …
Was sagt denn die Bibel über Himmelfahrt?
40 Tage nach Ostern feiern Christinnen und Christen Christi Himmelfahrt. In der Bibel steht: Nachdem Jesus gestorben und wieder auferstanden ist, hat er noch 40 Tage auf der Erde verbracht. Mehrmals ist er seinen Freundinnen und Freunden, den Jüngern, erschienen. Er hat ihnen noch einmal seine wichtigste Botschaft erklärt: Dass Gott die Menschen liebt und ihnen nahe sein möchte. Danach ist Jesus in den Himmel aufgefahren. Unser Altarbild veranschaulicht den biblischen Text eindrucksvoll. Christinnen und Christen haben seitdem eine Aufgabe: Sie sollen Gottes Liebe an alle Menschen weitergeben. (Christi Himmelfahrt - Basiswissen Glauben – EKD)
Um der Bedeutung Himmelfahrt auf die Spur zu kommen, müssen wir uns erst einmal in die Entstehungszeit jener Erzählung widmen. Lukasevangelium und Apostelgeschichte (auch von Lukas) enthalten sie. Entstanden sind die beiden Texte zwischen 70 und 90 n.Chr. – also keine Augenzeugenberichte.
Wir können sie nur verstehen, wenn wir uns das damalige Weltbild vor Augen führen. Die Menschen sahen die Erde als Scheibe, umgeben von Wasser. Darüber wölbten sich wie eine Käseglocke die Himmelssphären, kristallene Bögen. Aus den unteren Sphären ließen es die Götter regnen, auf den anderen zogen die Gestirne ihre Bahnen. Und darüber war der Bereich, in dem die Menschen Gott angesiedelt sahen.
Wer von der Gottessohnschaft Jesu und seiner Auferstehung überzeugt war – aber erlebte, dass er nicht mehr da war, musste das „Weg-Sein“ Jesu mit Gott und dessen Wohnort in Verbindung bringen. Schon aus dem Alten Testament waren solche „Entrückungs-Geschichten“ bekannt, eine Himmelfahrt Jesu Christi drängte sich förmlich auf.
Spätestens seit der Eroberung des Weltraums durch Astronauten wissen wir: Dieses alte Weltbild stimmt nicht. So müssen wir uns mit der Aussage begnügen: Jesus ist bei Gott, so wie auch wir bei Gott sein werden.
Natürlich kann man sich nun in allerlei Spekulationen verlieren, wie dieses „Sein bei Gott“ aussieht. Ich halte davon wenig und dafür mehr von diesen zwei Mönchen:
Zwei Mönche teilen sich eine Zelle im Kloster. Sie sprechen viel über das, was nach dem Tod sein wird. Manchmal stellen sie sich die Ewigkeit sehr konkret vor. In allen Einzelheiten. Ein andermal zweifeln sie wieder. Dann haben sie eine Idee: Derjenige, der zuerst stirbt, soll dem anderen im Traum erscheinen und nur eins von zwei lateinischen Wörtern sagen. „Taliter“ - Das heißt: Es ist so. Oder: „Aliter“ - Das heißt: es ist anders.
Bald stirbt einer der Mönche und in der folgenden Nacht erscheint er seinem Freund. „Und?“ fragt dieser. „Taliter?“. Der Verstorbene schüttelt den Kopf. „Aliter? Anders?“ Wieder ein Kopfschütteln. Und mit einem leichten Lächeln flüstert er: „Totaliter aliter - Es ist völlig anders.“ (Totaliter aliter: Kirche im HR)
Und wenn wir uns die entsprechenden biblischen Texte anschauen, dann bewahren sie uns auch vor allen Gedankenspielen. Statt über den Himmel zu spekulieren, lesen wir im Lukas-Evangelium, was Jesus den Jüngern auf den Weg gegeben haben soll:
Allen Völkern muss in Gottes Namen verkündet werden: ›Ändert euer Leben! Gott will euch eure Schuld vergeben. Fangt in Jerusalem an! Ihr seid Zeugen für alles, was geschehen ist. Ich werde den Geist zu euch senden, den mein Vater versprochen hat.
(Lk 24, 47f)
Noch deutlicher wird Lukas in seiner Apostelgeschichte:
Nach diesen Worten wurde er vor ihren Augen emporgehoben. Eine Wolke nahm ihn auf, und er verschwand. Die Apostel starrten gebannt zum Himmel und schauten ihm nach.
Da standen plötzlich zwei weiß gekleidete Männer bei ihnen. Die sagten: »Ihr Männer aus Galiläa, was steht ihr da und schaut zum Himmel? Dieser Jesus, der von euch weg in den Himmel aufgenommen wurde, wird wiederkommen – genauso wie ihr ihn habt in den Himmel gehen sehen.« Danach kehrten die Apostel vom Ölberg nach Jerusalem zurück. (Apg 1, 9-12)
Hier rücken Himmel und Erde ganz dicht zusammen – ein Wort aus der „Sphäre“, aus dem Bereich Gottes und die irdischen Menschen, die es ernst nehmen und umsetzen sollen. Die beiden weißen Männer – natürlich wussten die Menschen damals: klar, Engel – werden noch deutlicher: Starrt nicht auf den Himmel! Konzentriert euch auf die Erde!
Und wieder sind es zwei Mönche, die die Sache anschaulich auf den Punkt bringen:
Es waren zwei Mönche, die lasen miteinander in einem alten Buch, am Ende der Welt gebe es einen Ort, an dem der Himmel und die Erde sich berühren. Sie beschlossen, ihn zu suchen und nicht zurückzukehren, ehe sie ihn gefunden hätten.
Sie durchwanderten die Welt, bestanden unzählige Gefahren, erlitten alle Entbehrungen, die eine Wanderung durch die ganze Welt fordert, und alle Versuchungen, die einen Menschen vom Ziel abbringen können.
Eine Tür sei dort, so hatten sie gelesen, man brauche nur anzuklopfen und befinde sich bei Gott. Schließlich fanden sie, was sie suchten. Sie klopften an die Tür, bebenden Herzens sahen sie, wie sie sich öffnete, und als sie eintraten - standen sie zu Hause in ihrer Klosterzelle. Da begriffen sie: Der Ort, an dem Himmel und Erde sich berühren, befindet sich auf dieser Erde, an der Stelle, die Gott uns zugewiesen hat. (2_1997_20.pdf)
Erinnern sie sich an das Lied „Da berühren sich Himmel und Erde“? Es beschreibt sehr schön, was wir an diesem Ort tun sollen, an dem wir stehen und an dem sich eben auch Himmel und Erde berühren:
Wo Menschen sich vergessen
Die Wege verlassen
Und neu beginnen, ganz neu
Wo Menschen sich verschenken
Die Liebe bedenken
Und neu beginnen, ganz neu
Wo Menschen sich verbünden
Den Hass überwinden
Und neu beginnen, ganz neu
Da berühren sich Himmel und Erde
Dass Frieden werde unter uns
Da berühren sich Himmel und Erde
Dass Frieden werde unter uns
Quelle: Musixmatch / Songwriter: Thomas Weisser, / Christoph Lehmann
Gebet:
Gott, du bist nah.
Wir ahnen, was du für uns willst.
Jesus hat es uns gezeigt.
Und doch bist du größer als alles, was wir fassen können.
Wir können dich nicht hineinzwängen in unsere Vorstellungswelt.
Wir bitten dich:
Öffne unser Herz.
Mach es weit für dich.
Schließ uns den Himmel auf.
Wir blicken zum Himmel und suchen dich,
du weiter Raum der Liebe:
über uns, in uns, um uns.
Sei bei uns allen,
dass wir unsere Wege getrost und mutig mit dir gehen.
Begleite uns mit deinem Segen.
Wir sehen in den Himmel, Gott, du voller Mitleid und Erbarmen,
und legen dir deine ganze Welt ans Herz, deine Schöpfung, die du liebst,
die Natur und die Menschen.